ARTiculAction Art Review, Summer 2017, Special Edition

 

Juli, 2017

 

– english follows –

 

Kuratiert von Josh Ryders und Barbara Scott
(übersetzt aus dem Englischen)

 

 

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Dikla Sterns Werk vermittelt Emotionen, Wildheit, Chaos und Energie, um Grenzregionen auszuloten, in welchen Wahrnehmungsprozess und Erinnerung unerwartete Konvergenzpunkte finden, um die Betrachter durch eine unkonventionelle und vielschichtige Erfahrung zu führen. Sterns Annäherung zerstört Symbole, um die Beziehung zwischen den Parametern des Be- trachters und ihrem kulturellen Substrat herauszufordern und sie dazu zu bringen neue Wahrnehmungen hervorzubringen und somit einen neuen Blickwinkel auf die Welt zu erhalten. Wir freuen uns, dass wir unsere Leser in ihr anregendes künstlerisches Schaffen einführen dürfen.

 

Hallo Dikla und herzlich Willkommen bei ARTiculAction. Bevor wir auf Ihr künstlerisches Schaffen selbst eingehen, würden wir gern etwas über Ihren Hintergrund erfahren. Sie haben eine solide Berufsausbildung und haben einen Master in Kommunikationsdesign und zeitgenössischer Kunst erworben. Wie haben Ihre Studien Ihre Entwicklung als Künstlerin beeinflusst? Und vor allem, wie vermittelt Ihr deutsch-jüdischer Hintergrund die Art und Weise, wie Sie sich selbst zum Kunstschaffen und zum ästhetischen Problem im Allgemeinen in Beziehung setzen?

 

Vielen Dank für die Einladung. Ich denke, die Entscheidung sowohl ein praxisorientiertes als auch ein theoretisch- wissenschaftliches Studium zu machen, brachte wichtige und richtige Erfahrungen, die mich geprägt haben. Dabei bot die Lehre in Tel Aviv den möglichen Freiraum für persönliche Entfaltung und Experimentierfreudigkeit und die Gelegenheit ihnen Ausdruck zu geben. Den Umständen entsprechend in einer Stadt wie Tel Aviv gelebt zu haben und im ständigen Austausch mit anderen Kreativen aus der Kunst-, Theater-, Film- und Musikszene zu stehen, aber auch inmitten einer internationalen, lebendig-pulsierenden Gesellschaft mit ihren schwierigen politischen Ereignissen zu befinden, wirkte auf meine Wahrnehmung wie ein intravenöser Impulsverstärker.

 

Die strenge wissenschaftliche Auseinandersetzung mit historischen und zeitgenössischen philosophischen Texten in Deutschland, hat zusätzlich noch einmal eine ganz eigene, andere Bedeutung erhalten, die sowohl mein Denken schärfte als auch meine Haltung gegenüber gesellschaftlichen Phänomenen bestätigte, wobei sicherlich auch meine kulturelle Prägung eine Rolle spielt.

 

Mit der Ästhetik, der ich mich bediene, verbinde ich ein Gefühl der Einbildungskraft und versuche sie mit den Gesetzmäßigkeiten des Verstandes in Einklang zu bringen. Es ist eine Entscheidung das Gefühl und die Vorstellungen darzustellen. Die ästhetische Idee ist und kann nicht über Begriffe oder Sprache verständlich gemacht werden. Das Schwierige besteht darin, eine Idee über die Anschauung zu vermitteln.

 

 

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Ihre Herangehensweise ist sehr persönlich und Ihre Technik konzentriert unterschiedliche Gesichtspunkte, die Sie wiederum in eine stimmige Balance zusammenbinden. Wir möchten unseren Lesern vorschlagen, Ihre Homepage https://www.diklastern.com zu besuchen, um eine Zusammenschau Ihrer Arbeiten zu erhalten: Würden Sie unseren Lesern in der Zwischenzeit etwas über Ihr Vorgehen und Ihr System erzählen? Würden Sie unseren Lesern vor allem etwas zur Entwicklung Ihres Stils schildern?

 

Die Darstellung der Arbeiten ist in verschiedene Prozesse aufteilbar. Zuerst findet sich eine gedanklich konstruierte und gefühlt stimmige und passende Konstellation, die durch den einen wichtigen Gedanken aus Hunderten von Gedanken in seiner Andersartigkeit erfasst wird und mit vorhandenen Beobachtungen, Wissen und Erfahrungen abgeglichen und verknüpft wird. Dabei ist die zeitliche Komponente nicht entscheidend, d.h. wann oder in welcher Schnelligkeit die Stimmigkeit der Vorstellung zustande kommt, sondern die Intensität ihrer Richtigkeit. Dieser Moment ist in einer Sekunde vor dem inneren Auge sichtbar oder braucht mehrere Stunden bis hin zu mehreren Wochen, bis sich die Verknüpfung ergibt und sich mir die vollkommene Idee erschließt. Wird allerdings der experimentelle Weg gewählt, so greifen andere Gesetze. Die Herangehensweise ist eine andere. Das Ziel ist beim Experimentieren unbekannt. Hier wird keine endgültige Vorstellung umgesetzt, da sie ja nicht existent ist, sondern es entstehen in nahen Zeitabschnitten neue Konstellationsmöglichkeiten, die zeitnah gestaltet werden und der Arbeit einen völlig anderen Sinn geben können. Experimentell zu arbeiten ist eine sehr interessante und besondere Erfahrung.

 

Der Fokus lag in den ersten Jahren aber mehr auf den Porträts. In ihnen versuchte ich die Charakterzüge, die Fassade oder den Augenblick auszuarbeiten, in denen die Mimik, die Gestik und Haltung, aber auch die Gemütslage zu erfassen sind, um eine ganz bestimmte Stimmung zu erzeugen, und das möglichst lebendig. Dann folgte eine Phase, in der die Arbeiten etwas erzählender waren, zwischendurch gab es Experimente bis hin zur Projizierung meiner Wahrnehmung auf Objekte.

 

Wir würden uns nun Ihrem künstlerischen Schaffen zuwenden und mit „Todesspritzen“ und „Perception meets Reality“ („Wahrnehmung trifft Wirklichkeit“) widmen, einem interessanten Werkpaar, das Bestandteil Ihrer letzten ARSENAL-Ausstellung in Berlin war und das unsere Leser bereits auf den einleitenden Seiten zu diesem Artikel haben bewundern können.
Was unmittelbar unsere Aufmerksamkeit für Ihre hellsichtigen, fast ernüchternden und doch fesselnden Forschungen über die konflikthafte Beziehung zwischen Demokratie und ökonomischen Interessen in Anspruch genommen hat, ist die Art und Weise, wie Sie die sichtbaren Ergebnisse Ihrer Analyse mit autonomer Ästhetik verbunden haben. Während unsere Leser durch die Entstehungsgeschichte dieser Werke streifen, würden Sie Licht in die Hauptquellen Ihrer Inspiration bringen?

 

Die Inspiration ergibt sich durch verschiedene Begebenheiten. Das kann zum einen über die Literatur passieren oder über die Reflexion gesellschaftlicher Ereignisse. Auffällige Beobachtungen und Handlungen, anregende Gespräche, aber auch Abgeschiedenheit und Ruhe. Wenn sich ein lichter Moment ereignet, wird ihm sein Fundament herausgestellt. Innere und äußere Dissonanzen wirken im Spiel und finden ihren eigenen Weg in die Arbeit. Lichte Momente können jederzeit und überall entstehen.

 

In den Arbeiten ‘Perception meets Reality’ oder ‚Todesspritzen’ ist die Präsenz des Objekts, das auf sich selbst reduziert ist, dem medizinischen Alltag entnommen. Durch Abwesenheit eines Protagonisten wird diese nochmals verstärkt und die Auseinandersetzung mit dem eigentlichen „Ding“ angeregt. In diesem Fall steht das Objekt als Konsum- und Politbarometer mit gleichzeitiger Funktion für Projektionen. Die präzise Darstellung des Objekts, die wir sehen, ist die Antwort einer gefühlten Wahrnehmung (Irritation, Bedrohung, Brutalität) von gestörten, gesellschaftlichen Strukturen.

 

Wenn z.B. Werbung und Botox Schönheit versprechen und Spritzen an einem gesunden Körper als Werkzeug eingesetzt werden, um pseudogesellschaftliche Standards zu erfüllen, wenn Weltfirmen und Lobbyisten u.a. Prosac und Ritalin wie bunte Lutschbonbons darstellen, um wirtschaftlichen Interessen zu dienen, und wenn sich hinter politischen, doppelmoralischen Lippenbekenntnissen Selbsterhaltung und Herrschaftsimperative verbergen, sollten wir irritiert sein.

 

Um zum Erkenntnisgewinn gesellschaftlicher Zusammenhänge zu gelangen, zu reflektieren, wo politische Unterlassung stattfindet, in wieweit wir Menschen uns von Medien manipulieren und abhängig machen lassen, selbst schon Ware sind, zur Ware gemacht werden oder selbst dazu beitragen und wo die Kräfte liegen, die permanent auf uns einwirken um unsere verborgenen Ängste zu instrumentalisieren, bediene ich mich der Beobachtung und der kritischen Hinterfragung. Diese Ansätze sind u.a. in der Serie Arsenal zu erkennen. Dabei ist es so leicht – den Fernseher einfach mal öfter abschalten, weniger konsumieren und kritischer hinterfragen.

 

 

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Ihre Forschung über die menschliche Würde ist durchdrungen von einer wirksamen soziologischen Kritik, die in „Selfie“ die stärksten existentiellen Parameter des Betrachters herausfordert. Während viele zeitgenössische Künstler, wie Ai WeiWei oder jüngst Jennifer Linton, für gewöhnlich offene sozio-politische Kritik in ihren Werken vermitteln, scheinen Sie mehr daran interessiert zu sein, nur die Richtung anzudeuten, indem Sie die Betrachter zu einem Prozess der Selbstreflexion einladen­, der zur Zerstörung einer Reihe von gewohnten, fast stereotypen kulturellen Kategorien führen dürfte. Meinen Sie, dass Ihre Werke in einem bestimmten Sinne als politisch bezeichnet werden können, oder haben Sie versucht, einen mehr neutralen Zugang aufrechtzuerhalten? Und vor allem, welche Rolle könnte ein Künstler in der heutigen Gesellschaft spielen?

 

In der Umsetzung der Ideen geht es um das Ausdrücken von Wahrnehmungen, die im Alltag auftauchen und in sich Unstimmigkeiten sind, was zur Irritation führt. Die Ursachen hierfür erkennt man in gesellschaftspolitischen, gestörten Strukturen. Auf der Leinwand zeigen sich Wahrnehmungen, Stimmungen, Schlussfolgerungen und Statements, die auf einer indirekten Ebene kommuniziert werden. Auch hier ein Versuch geschichtliche Ereignisse, aber auch zeitgenössische Phänomene über eine visuelle ästhetische Sprache darzustellen, die sich (auch) über den Titel niederschlägt. Das Publikum kann über den geistigen Prozess der Reflexion/ Selbstreflex­ion diesen Prozess durchlaufen und die Beobachtung wie die Stimmung erfassen. ,Selfie‘ lässt dem Publikum weniger Spielraum für Findungsprozesse; es ist eine direkte Sprache und die Botschaft ist desillusionierend. Verbunden mit der zukünftigen Realität wie auch der Auseinandersetzung mit Krankheit und der anscheinenden Bedrohung unseres Todes zeigt das Krankenbett eine Realität, der sich keiner entziehen kann – ein authentisches Selbstporträt.

 

Der Künstler ist meines Erachtens ein Sprachrohr. Er hat die Aufgabe, die Ereignisse oder die Zustände aufzuzeigen und Botschaften zu senden, die manche Menschen nicht sehen oder dessen sie sich nicht bewusst sind. Ähnlich einem Schriftsteller, der die Welt über die Texte sichtbar macht, interpretiert der Künstler mit Bildern die Wirklichkeit auf vielfältige Weise. Dies ist für den interessierten Betrachter, der gerne nachdenkt und reflektiert, eine Bereicherung, da ein innerer Dialog angeregt wird. Darüber hinaus sensibilisiert Kunstbetrachtung, und die wiederum löst Staunen aus und lässt Erkenntnisgewinn zu. Oder man kommt zu einem Konflikt, der eventuell zur Einsicht führt. Über die Ästhetik kann er zur Moral gelangen.

 

Auch sind Ausstellungen und Kunst inspirierend. Gute Ausstellungen schaffen es den eigenen Kontakt zu sich selbst herzustellen und somit die eigene Individualität, die ja sehr gerne kapitalisiert oder auch enteignet wird, zu erfahren. Kunst schafft weiterhin Distanz zum Alltag und eröffnet Raum für Neues. Negative Gedanken des Alltags werden sublimiert und führen zu einer Befreiung. In dieser Form fungiert die Kunst als Reinigung. Kunst und Kultur als essentieller Bestandteil unserer Lebensform sind ohne Künstler nicht denkbar und ohne das Menschsein nicht möglich ist, da es zu uns gehört.

 

Oder wie Vilém Flusser sich über „Der Taucher“ von Schiller äußert: „Die Künstler sind unsere Organe, die für uns das Unsägliche sagbar, das Unerhörte hörbar, das Unsichtbare sichtbar machen, indem sie unter Todesgefahr ins Chaos tauchen.“

 

Sie holen einiges aus der Geschichte, aber auch aus zeitgenössischen Themen. Ihre Gemälde scheinen allerdings von etwas zu reden, das sich von allgemeinen Vorstellungen unterscheidet: Sie sind meditativ, schweigsam; manchmal sogar grotesk und bewältigen die schwierige Aufgabe, direkte Beziehungen mit den Betrachtern herzustellen, um dann über jeglichen Prozess einer bloßen Übertragung kultureller Symbole hinauszugehen. Der deutsche Vielfachkünstler Thomas Demand stellte einmal fest, „Kunst kann sich heutzutage nicht so sehr an symbolischen Strategien festmachen, sondern muss stattdessen psychologische, narrative Elemente innerhalb des Mediums ausprobieren“. Was denken Sie darüber? Und vor allem: wie konzipieren Sie das Narrative für Ihre Werke?

 

Bildbetrachtung geschieht auf verschiedene Arten und unterschiedliche Kunststile lassen sich über eine empirische Form-Erfahrung sinnlich-konkret erleben. Eine psychologische, narrative Untersuchung in einem Kunstwerk bietet einen möglichen Ansatz gewohnter Erfahrungsweisen und stellt eine weitere Form dar. Eine weitere Form von Kunsterfahrung ist demnach auch immer ein Perspektivwechsel, der neue Sichtweisen eröffnen kann und somit neue Einblicke wie auch Erkenntnisse über das menschliche Verhalten und über individuelle Erfahrungsweisen bietet. Der Zuschauer ist nicht nur ein außenstehender Sehender eines Kunstwerks, sondern wird ein Teil davon. Das Kunstwerk ist in diesem Fall keine isolierte Realität. Die narrative, psychologische Methode ist eine mögliche Methode, möchte aber andere bekannte Methoden nicht ausschließen, die Neues und Interessantes hervorbringen.

 

In meinem Fall konstruiert sich die erzählerische Struktur teilweise visuell auf der Leinwand wie auch teilweise über die Auseinandersetzung mit der Arbeit, aber auch, wenn diese über die Stimmung den Betrachter in den gedanklichen Prozess hineinführt, um dort verschiedene Assoziationen frei werden zu lassen und auf seine individuellen Bilder und Erfahrungen zurückzugreifen. Diese Kommunikation passiert auf einer nicht greifbaren Ebene und ist zum Teil unterbewusst.

Wahrnehmung, Atmosphäre, Stimmung und Assoziationen verflechten sich in meinen Arbeiten und schließen den Betrachter selbst mit ein oder geben ihm zumindest die Impulse, eine Ahnung etwas zu erfahren. Die Stimmung und die Wahrnehmung sind zwei wesentliche Auffälligkeiten des künstlerischen Ausdrucks. Die Codes sind nicht immer direkt sichtbar, weil sie auf einer nicht greifbaren Ebene wahrgenommen werden.

 

 

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Wenn Ihr Werk klare Bezüge zur sinnlich wahrnehmbaren Wirklichkeit zeigt, vermittelt es immer ein lebhaftes abstraktes Gefühl, das mit dynamischer Kraft ein charakteristisches Wesensmerkmal Ihrer Leinwand bildet, wie z.B. in „Hotel Stories“. Die Weise, in der Sie Unschärfe mit einer universalen Art von Sprachqualität einfangen, stellt einen bemerkenswerten Teil Ihres Schaffens heraus, was in einem gewissen Sinn kennzeichnend für die Beziehung zwischen Gefühl und Gedächtnis ist. Wie würden Sie die Beziehung zwischen Abstraktion und figürliche Darstellung in Ihrer Praxis definieren? Denken Sie, dass Abstraktion ein Weg ist, um die Betrachter zu veranlassen, persönliche Assoziationen zu erarbeiten?

 

Dadurch, dass die meisten Arbeiten figurative Elemente besitzen, entweder Porträts oder Objekte, sind sie erst einmal nicht abstrakt. Da aber abstrakte Teilelemente vorhanden sind, verfügen die Arbeiten über einen abstrakten Teil. Die Abstraktion selbst aber wird auf einer gedanklichen Ebene über die dargestellte Form vermittelt. Es sind die externen Gegenstände, die, die Beziehung zwischen der Abstraktion und der Repräsentation in den Arbeiten bilden. Wird eine Idee in einem Objekt oder einem Porträt verwirklicht, findet die Konzentration auch auf diese statt. Es geht dann weniger um eine bekannte Erzählform als um die Umsetzung, das Handwerk. Das figurative Element ist die Haltung, mit der die Gedanken umgesetzt werden, könnte man sagen. Der abstrakte Teil ist die Dynamik, mit dem der Gedanke unterstrichen wird. Es ist der natürlichere Teil, der unkontrollierte Aspekt. Dem gegenüber steht das präzise, ausgearbeitete Dargestellte.

 

Wir würden gerne ein paar Fragen über das Gleichgewicht stellen, das Farben und Struktur erzeugen: wir haben wirklich die Lebendigkeit der Farben geschätzt, welche Ihre Leinwand durchdringen, und vor allem die Art und Weise, wie sie in Diakonie Plastizität suggerieren, bis hin zu einem Gefühl des Berührens. Wie sind Sie dazu gekommen, Ihre eigene Farbpalette zusammenzustellen? Und inwieweit bestimmt Ihr eigener psychologischer Ansatz die Nuancen der Farbtöne, für deren Gebrauch Sie sich in einem Werk entschieden haben? Und insbesondere, wie entwickeln Sie die (Farb-)Komposition eines Gemäldes?

 

Man sieht, die Farbpaletten unterliegen keinen festen Regeln. Bestimmte Farbkompositionen entstehen vor dem inneren Auge. Diese werden anschließend auf die Leinwand übertragen. Dass im Laufe der Zeit und mit mehr geschaffenen Arbeiten ein bestimmtes Spektrum an Farben oder wiederkehrende Farbkombinationen entstand, ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen. Aber es gibt eben keine festen Regeln. Auch sind einige Arbeiten, die sich im Schwarz-bis-Weiß-Spektrum bewegen, unabhängig voneinander entstanden, so wie unter anderem in „Der Kämpfer“ (Fighter), einer Stellvertreterfigur eines Kämpfers, die für die NGO „Diakonie Katastrophenhilfe“ entwickelt wurde, um auf die Zustände im Kongo im Jahr 2010 aufmerksam zu machen. Hier habe ich mich für das Schwarz-bis-Weiß-Spektrum entschieden. Die Farben assoziiere ich mit Gewalt, Tod, Trauer und der Grausamkeit des Krieges, die Menschen erleiden. In dem Gesicht des Porträtierten spiegelt sich die bittere Realität.

 

Wir bewundern die Weise, in der Ihre Gemälde ein stimmiges Gleichgewicht hinsichtlich der Komposition zeigen: Wie Sie einmal gesagt haben, wird die visuelle Idee in gemalter Form durch Beobachtung der Umwelt grundgelegt. Die vielschichtige Erfahrung, zu der Sie den Betrachter einladen, gibt dem Kreislauf zwischen der Innenwelt und der Außenwelt eine Dauerhaftigkeit. Sie greifen auf unterschiedliche soziopolitischen Gegebenheiten unserer Gegenwart zurück; daher möchten wir die Gelegenheit nutzen Sie zu fragen, welche Rolle persönliche Erfahrung in Ihrem Schaffen spielt und ob das ein unverzicht- barer Bestandteil des kreativen Prozesses ist. Glauben Sie, dass der kreative Prozess von direkter Erfahrung abgekoppelt werden kann?

 

Persönliche Erfahrung spielt sicherlich eine Rolle in einem Schaffensprozess. Ich betrachte die Thematik zeitgenössische Aspekte im mer im Zusammenhang mit dem epochalen Wandel in dem wir uns befinden. Das ist eine Komponente. Weiterhin fließen äußere Reize in den Kreativprozess mit hinein, der ja sehr komplex ist. Eine weitere Komponente ist unsere Beschaffenheit. Inwieweit wird durch sie ein kreativer Prozess eingeleitet? Sicherlich ist die Intensität, wie wir einen Impuls wahrnehmen und mit Bekanntem als auch Vertrautem abgleichen, zusätzlich der Auslöser, also die entscheidende Komponente. Aber auch in dem „nicht Vorhandensein“ einer Erfahrung kann dieser Impuls als „nicht bekannte“ Komponente einbezogen werden, so dass ein Impuls ausgelöst wird, eben durch das nicht Bekannte.

 

In den letzten Jahren haben Sie zu verschiedenen Anlässen in Berlin ausgestellt, einschließlich Ihrer letzten Ausstellung ARSENAL. Eines der Kennzeichen Ihrer Arbeit ist die Fähigkeit, für eine direkte Einbeziehung der Betrachter zu sorgen, die gedrängt werden sich vom Zustand bloßen Zuschauerdaseins weg zu entwickeln. Bevor wir also dieses Gespräch beenden, würden wir gern eine Frage über die Natur der Beziehung Ihrer Kunst mit Ihrem Publikum stellen. Halten Sie das Thema der Rezeption beim Publikum für einen Kernbestandteil Ihres Entscheidungsprozesses in Bezug auf den Typus von Sprache, der in einem bestimmten Zusammenhang benutzt wird?

 

Eine Arbeit zu gestalten ist etwas sehr Persönliches. Die Entstehung eines Bildes bedarf viel Zeit und richtet sich in einem Moment aus, in dem eine Ahnung, ein Gefühl oder ein Wissen entsteht, das sich eventuell in die richtige Richtung, eine stimmige Richtung, entwickeln kann. Das bedarf Konzentration und Energie. In diesem wie auch in dem darauf folgenden Prozess, nämlich der Umsetzung, ist kein Platz für etwas anderes. Der einzige Zuschauer ist man selbst, während man im Wechselspiel von der Position des Ausführenden zum Schauenden und wieder zum Ausführenden wird. Der Fokus ist auf die Inhalte und die Idee gerichtet, so dass der Zuschauer in den Entstehungsphasen gedanklich bei mir nicht vorkommt.

 

Vielen Dank für die Zeit und die Gedanken, die Sie uns mitgeteilt haben, Dikla. Würden Sie unseren Lesern schließlich etwas über Ihre zukünftigen Projekte berichten? Wie wird sich Ihre Arbeit entwickeln?

 

Vielen Dank auch Ihnen. In meinen neusten Arbeiten stehen Konsumgüter im Fokus. Hierbei handelt es sich um Fotografien. Das Ergebnis ist eine Serie von Gegenständen, die dem Alltag entnommen sind und in verschiedenen Perspektiven dargestellt wurden. Die Präzision und die Weiterverarbeitung der Materie als auch die Detailvielfalt sind wichtige Elemente. Die Visualisierung der Idee war nur mittels einer hochauflösenden Kamera zu erreichen. Demzufolge entstand eine eigene Formsprache, die zwar sehr genau abbildet, aber nicht immer auf Anhieb den Gegenstand erkennen lässt. Durch die Schattenwürfe wird erstens die Vorstellung greifbar und zweitens eine eigene Form mit einer bestimmten Stimmung erzeugt. Die Fotografien sind dieses Jahr im Hohenstaufensaal in Annweiler am Trifels das erste Mal gezeigt worden und einige von Ihnen sind auch dieses Jahr im CICA-Museum in Korea zu sehen. Aber auch auf meiner Homepage www.diklastern.com kann man sich einen Eindruck verschaffen. Nun, es sind einige Ausstellungen für dieses und nächstes Jahr in Planung. So findet zusätzlich eine Ausstellung im Ludwig-Windthorst-Haus in Lingen an der Ems in Deutschland statt. Hinzu kommt dass ich für einige Monate für ein anderes Projekt unterwegs sein werde, das mich in verschiedene Länder führt. Hier werden sicherlich auch neue Ideen entstehen. Das kann man dann auf meiner Seite verfolgen.

 

 

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– english –

 

Curated by Josh Ryders and Barbara Scott

 

July, 2017

 

Dikla Stern’s work conveys emotions, the wildness, chaos, energy to explore the liminal area in which perceptual process and memory find unexpected points of convergence to wlak the viewers through an unconventional, multilayered experience. Drawing from universal imagery and from a wide variety of issues that affect our contemporary age, Stern’s approach deconstrupts symbols to challenge the relationship between the viewers’ most limbic paramenters and thei cultural substratum to induce them to produce new perceptions and thus obtain a new perspective on the world: we are very pleased to introduce our readers to her stimulating artistic production.

 

Hello Dikla and welcome to ARTiculAction: before starting to elaborate about your artistic production would you like to tell us something about your background? You have a solid formal training and you hold a M.A. of Communication Design and Contemporary Art: how did your studies influence your evolution as an artist? And in particular, how does your German-Jewish cultural substratum inform the way you relate yourself to art making and to the aesthetic problem in general?

 

Hello. Thank you for inviting me. I believe that my decision to study something practical as well as something theoretical allowed me to have experiences that were important and right for me, and they shaped me. My apprenticeship in Tel Aviv gave me the freedom I needed for my personal development and for experimentation as well as the opportunity to express both of these. Living in a city like Tel Aviv and having ongoing exchange with other creatives from the art, theatre, film and music scenes, while immersed in an international society that pulsates with life and is marked by difficult political events had an effect on me that was, you could say, like an intravenous pulse amplifier.

 

In Germany, my stringent academic exploration of historical and contemporary philosophical texts took on its own very specific and different meaning, which has both sharpened my thinking and confirmed my attitude toward societal phenomena. Also, my cultural background certainly entered into all of this as well.

 

To me, the aesthetics that I draw on are connected with a sense of imagination that I try to reconcile with the laws of reason. Wanting to represent feeling and imagination is a conscious decision. The aesthetic idea cannot be conveyed with concepts or language. The challenge is communicating an idea via first-hand visual perception.

 

Your approach is very personal and your technique condenses a variety of viewpoints, that you combine together into a coherent balance. We would suggest to our readers to visit https://www.diklastern.com in order to get a synoptic view of your work: in the meanwhile, would you like to tell to our readers something about your process and set up? In particular, would you tell our readers something about the evolution of your style?

 

In describing my works, I can distinguish a number of different processes. First, I find a conceptually constructed constellation that feels right and appropriate and is captured by the otherness of this one important thought that stands out among hundreds of thoughts, and is then compared to and connected with existing observations, knowledge and experiences. What is crucial here is not the temporal component, i.e. when or how quickly the coherence of the idea is established, but how strikingly right it is. This moment can appear before the inner eye within a second or else it may take several hours and up to several weeks before I can see the connection, before the perfect idea reveals itself. Choosing the experimental path, however, comes with a different set of laws. It is a different approach. With experimentation, the goal is unknown. The point is not to realize a definitive idea, because it does not exist. Instead, new constellations are created within short intervals; they take shape quickly and may lend the work a completely different meaning. Experimental work is very interesting and a very special experience.

 

Yet, in the first years I focused mostly on portraits. Here I attempted to bring out the features, the façade or else the moment in which a facial expression, gesture and posture but also mood can be registered to create a very specific atmosphere, one that is as alive as can be. Then followed a phase in which my works were more narrative, and in between there were experiments, in which I would even project my perception on objects.

 

We would start to focus on your artistic production beginning from Todesspritzen and Perception meets Reality, an interesting couple of pieces that are part of your recent ARSENAL exhibition in Berlin and that our readers have already started to admire in the introductory pages of this article. What has at once captured our attention of your insightful, almost disenchanted still captivating investigation about the conflictual relationship between democracy and economic interests is the way you provided the visual results of your analysis with autonomous aesthetics: while walking our readers through the genesis of these works, would you shed light to your main sources of inspiration?

 

Different things give me inspiration. It can come from literature or from reflecting on events taking place in society, from unusual observations and actions, stimulating conversations but also from solitude and quiet. When there is a moment of clarity, I extract its underpinnings. There is an interplay of internal and external dissonances and they find their way into the work. Moments of clarity can happen everywhere and anytime.

 

In works such as Perception meets Reality or Todesspritzen (Lethal Injections), the presence of the object that has been reduced to itself is taken from everyday medical life. The absence of a protagonist amplifies this further, prompting an examination of the actual “thing.” In this case, the object acts as a barometer of consumption and politics and also assumes this function for projections. The precise object representation that we see is the answer to a felt perception (of irritation, threat, brutality) in disturbed social structures.

 

We should feel irritated, when, for example, advertising and Botox promise beauty, and injections into a healthy body are a tool used to meet pseudo-societal norms, when global corporations and lobbyists represent things such as Prosac and Ritalin as colorful candy, catering to economic interests, and when political lip service steeped in double standards is a veil for self-preservation and assertions of power.

 

I use close observation and critical analysis to gain knowledge about societal relationships; to reflect on where political neglect is happening, to what extent we allow ourselves to be manipulated and made dependent on the media, to be commodified or to contribute to this, and I use it to find out where the powers reside that are constantly acting on us in order to instrumentalize our hidden fears. These approaches can be found in my series Arsenal, for example. And it is so easy: Simply turn off the TV more often, consume less and question things more critically.

 

Your inquiry into human dignity is pervaded with an effective socio political criticism that in Selfie forces the viewers’ most limbic parameters. While lots of artists from the contemporary scene, as Ai WeiWei or more recently Jennifer Linton, use to convey open socio-political criticism in their works, you seem more interested to hint the direction, inviting the viewers to a process of self-reflection that may lead to subvert a variety of usual, almost stereotyped cultural categories. Do you consider that your works could be considered political in a certain sense or did you seek to maintain a more neutral approach? And in particular, what could be in your opinion the role that an artist could play in the contemporary society?

 

When I realize ideas, I try to express everyday perceptions that are in themselves inconsistent, leading to feelings of irritation or confusion. The cause for this can be found in disturbed socio-political structures. What is seen on the screen are perceptions, moods, drawn conclusions and statements that are communicated on an indirect level. This is another attempt to represent historical events as well as contemporary phenomena using a visual aesthetic language, which also finds expression in the title. Via the mental process of reflection / self-reflection, the audience can go through this process and grasp the observation and the mood.

 

Selfie leaves less leeway for the audience’s discovery processes; it speaks a direct language and its message is disillusioning. Associated with a future reality as much as with an examination of disease and the apparent threat of death, the sickbed shows a reality that no one can escape – an authentic self-portrait.

 

The artist, I believe, is a mouthpiece. It is his or her task to draw attention to events or conditions and to send out messages about matters of which some people are unaware. Similar to a writer who makes the world visible in texts, the artist interprets reality in various ways with pictures. For a viewer who likes to think and reflect, this is enriching as it elicits an inner dialogue. Moreover, art viewing leads to a sensitization, which in turn leads to wonder and fosters insight – or else you arrive at a conflict which might lead to a realization. Aesthetics can lead to morals.

 

Exhibitions and art are also inspiring. Good exhibitions lead the visitor to connect with himself or herself, thus experiencing his or her own individuality, which, as we know, is easily commercialized, easily ousted. Art further creates a distance to one’s everyday life and opens spaces for something new. Negative thoughts experienced in one’s daily routine become sublimated, which is liberating. In this form, art has a purifying function. Unthinkable without artists, art and culture are part of being human, part of our way of life.

 

As Vilém Flusser says about Friedrich Schiller’s Der Taucher (The Diver): “By endangering their life and diving into chaos, artists become our organs that make the unspeakable speakable, the unheard audible, the invisible visible.”

 

You draw a lot from history as well as from contemporary issues: however, your paintings seems to speak of something different from common imagery: they are meditative, silent: sometimes even grotesque and accomplish the difficult task of extablishing direct relations with the viewers, to go beyond any process of mere translation of cultural symbols. German multidisciplinary artist Thomas Demand once stated that “nowadays art can no longer rely so much on symbolic strategies and has to probe psychological, narrative elements within the medium instead”. What is your opinion about it? And in particular how do you conceive the narrative for your works?

 

Art appreciation happens in various ways and different artistic styles can be experienced directly through the senses via an empirical experience of form.
A psychological, narratological exploration of an artwork offers a further possible approach; it is another form of experience. A further form of experiencing art is a change of perspective that may offer new points of view and therefore new insights and realizations about human behavior via individual experience. The spectator is not merely an external viewer of the artwork but becomes a part of it. The artwork, in this case, is not an isolated reality.

 

The narratological, psychological method is one possibility, but this does not preclude other known methods that can lead to new and interesting things.

 

In my case the narrative structure is constructed visually partly on the canvas and partly through my exploration of the work, and the work, via its atmosphere, leads the viewer into the mental process, evoking a number of different associations that connect to the viewer’s personal images and experiences. This communication happens on a level that is somewhat below the radar and is partly subconscious.

 

Perception, atmosphere, mood and associations interweave in my works and may include the viewer directly or at least provide impulses, the idea that there is something to experience. Mood and perception are two essential distinctive qualities of artistic expression. The codes are not always directly visible; they are discerned at an intangible level.

 

When showing clear references to perceptual reality, your work always convey a vivacious abstract feeling that provide with dynamism the representative feature of your canvass, as Hotel Stories. The way you to capture non-sharpness with an universal kind of language quality marks out a considerable part of your production, that are in a certain sense representative of the relationship between emotion and memory. How would you define the relationship between abstraction and representation in your practice? In particular, do you think that abstraction is a way to induce the viewers to elaborate personal associations?

 

Because most of my works have figurative elements, either portraits or objects, they are first of all not abstract. But they are also abstract insofar as they have some abstract elements. The abstraction itself, however, is communicated on a conceptual level via the represented form.
It is the external objects that create the connection between abstraction and representation in my works. If an idea is realized in an object or a portrait, that’s where the focus will be. It is less about using a known narrative form than about the execution. The craftsmanship. The figurative element is the way in which the thoughts are realized, one could say. The abstract part forms the dynamics that are used to underline the thought. This is the more natural part, the aspect that is not controlled. The precisely developed representational part forms the contrast.

 

We would like to pose some questions about the balance established by colors and texture: we have really appreciated the vibrancy of the colors that saturate your canvas, and especially the wayin Diakonie they suggest plasticity and even such a tactile feeling. How did you come about settling on your color palette? And how much does your own psychological make-up determine the nuances of tones you decide to use in a piece and in particular, how do you develope a painting’s texture?

 

As you can see, my palettes do not follow set rules. Certain color compositions develop before the inner eye, which I then transfer to the canvas. It certainly cannot be denied that, over time and with the creation of more and more works, a certain color spectrum or recurring color combinations have developed. But there are no set rules. Also, some of the works that are in the black-and-white spectrum have been created independently of one another, for example Der Kämpfer (Fighter) a proxy figure of a fighter that I created for the NGO Diakonie Katastrophenhilfe to raise awareness about the situation in Congo in 2010. I associate these tones with violence, death, mourning and the cruelty of war. The portrayed face reflects the harsh reality.

We have appreciated the way your paintings shows a coherent equilibrium concerning the composition: as you have remarked once, through observation of the environment, the visual idea in pictorial form is constituted. The multilayered experience to whom you invite the viewers gives a permanence to the cycle between your inner world and the outside. You draw a lot from a variety of socio political aspects of our contemporary age, so we would take this occasion to ask you what is the role of personal experience in your process and if in your opinion it is an absolutely indespensable part of a creative process… Do you think that a creative process could be disconnected from direct experience?

 

Personal experience certainly plays a role in the creative process. I always consider contemporary subjects in connection with the momentous change that we are undergoing. This is one component. Also, external stimuli enter the creative process, which is very complex.
A further component is our own constitution. The question is, to what extent does it initiate a creative process? Certainly, the intensity with which we perceive an impulse and compare it with something known, something familiar, is also the trigger, that is to say, the decisive component. Yet, even in the “non-existence” of an experience, this impulse can be integrated as a component that is “not known,” which causes the kind of impulse that is triggered precisely by something that is not known.

 

Over these years you have exhibited in several occasions including your recent show ARSENAL, in Berlin. One of the hallmarks of your work is the capability to create direct involvement with the viewers, who are urged to evolve from a condition of mere spectatorship. So before leaving this conversation we would like to pose a question about the nature of the relationship of your art with your audience. Do you consider the issue of audience reception as being a crucial component of your decision-making process, in terms of what type of language is used in a particular context?

 

Creating a work of art is something very personal. The development of a painting takes a lot of time and begins to take shape in a moment when there is an inkling, a feeling or knowledge that might develop further in the right direction, in a coherent direction. This takes concentration and energy. In this, as in the process that follows – the execution – there is no room for anything else. You yourself are the only spectator, while you move from the position of the executor to that of the viewer and back. The focus is on the subject matter and on the idea, and so, in the initial phases, the spectator does not enter into my thought process.

 

Thanks a lot for your time and for sharing your thoughts, Dikla. Finally, would you like to tell us readers something about your future projects? How do you see your work evolving?

 

And I thank you.
At the center of my latest works are consumer products. The works are photographs, a series of objects that are taken from everyday life and depicted from different perspectives. Precision and the treatment of the material as well as the multitude of detail are important elements. Visualizing the idea was only possible using a high-definition camera. This led to a particular form language that gives very precise depictions but produces objects that cannot always be recognized in an instant. The shadowing, first of all, makes the idea graspable; and secondly, it creates a shape of its own and a particular atmosphere. These photographs were on show for the first time this year at the Hohenstaufensaal in Annweiler am Trifels, Germany, and some of them will be shown at the CICA Museum in Korea this year as well. You can also go to www.diklastern.com to get an impression.

 

How do you see your work evolving?

 

Well, several exhibitions for this and the next year are in the planning stage. For example, there will be another exhibition at the Ludwig-Windthorst-Haus in Lingen an der Ems, Germany. And I will be travelling for several months for a project that will take me to different countries. I expect new ideas will arise from this. You can follow the process on my website.

Blu - Deutschland größtes Schwulenmagazin

 

Berlin, © Oktober 2014/ Ausgabe 70, Michael Rädel

 

 

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LE GRAND OPENING

 

Was ist weiblich, was ist männlich? Oder gibt es gar keine Zweigeschlechtigkeit, sondern nur Mischformen? Ein Thema, dessen sich auch die Künstlerin Dikla Stern schon angenommen hat. Ihre Werke zeigen oft Schönheiten, deren Geschlecht nicht eindeutig einzuordnen ist. Oder man denkt, dass das Geschlecht klar zu erkennen ist, und liegt falsch. In ihrer Ausstellung LE GRAND OPENING in Mein Haus am See in Berlins hipper Mitte werden diese und andere Werke ausgestellt. Der Eintritt ist frei!

 

WAS IST DAS GROSSE THEMA DEINER AUSSTELLUNG?

 

In LE GRAND OPENING geht es um das große Ganze aus verschiedenen Blickwinkeln. Wie der französisch-englische Titel in Verbindung mit der Arbeit “Werk 324/Sieben” zeigt, gibt dieser einen Hinweis auf das, was folgen könnte. Nämlich einen ernsten und gleichzeitig satirischen Blick von und über die wahrgenommene Welt, sowohl aus einer intellektuellen als auch emotionalen Perspektive. Es geht um das Erleben, das gefühlte Außen und das Erfassen von Stimmungen. Es geht um Beobachtung und Schlussfolgerung, Charaktere und Deutungen und das Zurückgeworfenwerden auf sich selbst, weniger um methodische Vorgaben und Thematiken.

 

DEIN BILD “WELTENKINDER” ZEIGT KEINEN MANN, ODER?

 

Ob “Weltenkinder” eine Frau ist? In “Weltenkinder” geht es vorrangig um Menschenwesen mit ihren vielen verschiedenen Anteilen, per se erst mal nicht definiert. Es bleibt frei, ob man ein geschlechtsloses Wesen sehen möchte, einen Mann mit gelebten weiblichen Charaktereigenschaften, eine Frau in männerbehafteten Verhaltensweisen, einen Asexuellen oder eine Kombination aus weiblichen und männlichen Anteilen in verschiedenem Maße in einer Person. Also aus dem, was alle Menschen in verschiedenen Kombinationen besitzen und es entweder zeigen wollen, dürfen oder können.

 

GLAUBST DU AN DIE ZWEIGESCHLECHTIGKEIT?

 

Für mich existiert vorab auf der einfachsten Stufe nur ein biologischer Unterschied von Frau und Mann in verschiedener Ausprägung der Geschlechtsmerkmale mit dem dazugehörigen genetischen Einfluss (verschiedenen Anteilen und biochemischen Abläufen) und wiederholenden, teilweise ähnlichen Strukturen und Verhaltensweisen in der Basis. Danach hört für mich die Unterscheidung auf. Von da ab zählen soziale Strukturen, Gesellschaftsformen, politische Ideologien und die daraus resultierende “gesellschaftliche Zweigeschlechtlichkeit”. Aber das Innere eines jeden Einzelnen ist weitaus mehr als nur eine Unterteilung in “Mann oder Frau”.

 

Ich bin mir ziemlich sicher, dass es in circa vierzig Generationen diese Begriffe und Aufteilung nicht mehr geben wird. Die Aufteilung Mann/Frau ist eine Diskriminierung genauso wie die Begriffe schwul/lesbisch. Wenn man aber erkennt, dass wir alle gleich sind, mit verschiedenen Anteilen, dann wird man vielleicht sagen: “Das ist Mensch – männlicher Natur mit starkem männlichen/weiblichen Anteil”, oder “Das ist Mensch – weiblicher Natur mit starkem weiblichen/männlichen Anteil”, unabhängig von der sexuellen Orientierung oder Anzahl der Partner und dem Lebensmodell für beide Geschlechter. Dabei gibt es weder richtige noch falsche Identitäten – nur verschiedene.

 

DIKLA STERN: LE GRAND OPENING, BIS 8. OKTOBER, MEIN HAUS AM SEE (MHAS), BRUNNENSTR. 197 – 198, U ROSENTHALER PLATZ/ ECKE TORSTR., EINTRITT FREI, FINISSAGE: 8. OKTOBER, 19 UHR

 

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Zypogh fragt nach

 

© 13.09.2011

 

 

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Ein.Interview.mit.Dikla.Stern: ‘Eine Reise nach Jerusalem mit Pinkelpause in der Wüste’ ist noch bis zum 23.10.2011 zu Gast in Mannheim – eine Ausstellung der Künstlerin Dikla Stern in der Stoffwechsel Galerie.

Vernissage war am 11.09.2011 10.53 Uhr – Wir haben uns wohl gefühlt, aktiviert, weniger instrumentalisiert und nicht mehr so gruppiert. Daher haben wir uns darauf geeinigt, einen Besuch der Ausstellung als äußerst befriedigend anzusehen und haben beschlossen, diesen Monat unser besonderes Augenmerk auf jene zu richten. Hierzu hat zypogh.nachgefragt…

 

Wie bist du Künstlerin geworden?

 

Wie wird man Künstler? Weil ich keine Sekretärin sein wollte. Auch nicht Stewardess, Ingenieur, Lehrer, Anwalt, Beamte, Berufssoldat, Pädagoge, Händler, Optiker, Florist, Zahntechniker, Arzt, Einkäufer, Drucker, Schauspieler, Unternehmensberater und weitere 150 Berufe. Ich glaube, dass der Mensch etwas mitbekommt, sagen wir ein Talent. Trieb und Neugier lassen dich dieses Talent weiterentwickeln, d.h. du bist ständig in Bewegung und schaffst. Machst dein Ding ohne das, was du tust, zu bewerten – ob du jetzt Künstler bist oder nicht. Man ist es, man wird es nicht. Von außen heißt es irgendwann ‘Du bist Künstler’

 

Fluch und Segen ist sicherlich die Förderung meiner Eltern. Mein Vater schenkte mir eine Kamera (nachdem ich mit fünf Jahren den Musik- den Ballettunterricht sowie später auch den Religionsunterricht boykottiert habe) und die wurde mein Begleiter, mit zehn Jahren habe ich das erste Mal meine Bilder selbst entwickelt. Die Malerei wurde erst viel später vertieft.

 

Die Hauptprägung kam jedoch stark aus der Literatur. Über die Literatur setzte ich Situationen aus Texten im Geist bildlich um. Später dann real. Die Schreibkunst mit der Musikkunst sind, für mich, die noch höheren Künste im Vergleich zu anderen Kunstrichtungen.

 

Warum gerade die Schreibkunst?

 

Sie ist abstrakter und bietet dir keine vorgefertigten Bilder. Sie lässt dir deine eigene Vorstellung. Sie gibt mehr Raum. Und das Vorstellungvermögen ist endlos, sowohl beim Verfasser als auch beim Leser. Klar, dies lässt sich auch auf die bildende Kunst übertragen. Und auch wie beim Verfassen von Texten ist bei der Entstehung eines Werkes alles offen – jedoch nur bei demjenigen, der es erschafft. Der Betrachter eines Kunstwerks wird vor vollendete Tatsachen gestellt und erblickt mit einer Sekunde eine komplette Bildwelt, die er sich nicht vorstellt, sondern erlebt. Ab dem Zeitpunkt des Betrachtens fängt er an, seine Geschichte zu denken – weiterzudenken oder weiter zu empfinden.

 

Wie bist du politische Künstlerin geworden?

 

Auch hier wieder, man wird nicht politische Künstlerin. Du bist politisch interessiert oder nicht. Die Umsetzung über das Medium ist nur ein Mittel, aber die Haltung ist das, was du bist. Es stand nie zur Debatte, nicht politisch interessiert zu sein. Und in Israel geboren zu sein, liefert immer Stoff für Diskussionen. Das eine als auch das andere sind Gegebenheiten, die ich nicht ignorieren kann. Zusätzlich kommt der Aspekt hinzu, in Deutschland aufgewachsen zu sein – in einer christlichen Kleinstadt als einzige jüdische Familie. Und das Mitte der Siebziger Jahre. Dadurch bekommt man einiges mit. Mehrere Religionen, mehrere Kulturen. Einblicke. Situationen. Persönlich wurde ich von anderen Menschen aufgrund dieser Kombination oft sofort in politische Diskussionen verwickelt und auch sehr schnell als a) Opfer, b) politische israelische Aktivistin oder c) als Denunziantin beurteilt oder verurteilt. In manchen Situationen sind diese Diskussionen oder voreiligen Schlüsse absolut fehl am Platz und falsch.

 

Du nimmst uns hier mit auf ‘eine Reise nach Jerusalem mit Pinkelpause in der Wüste’. Was können wir uns darunter vorstellen?

 

Der Titel kam zustande aufgrund zwiespältiger Erfahrungen mit der Stadt. D.h. ein Mal eine extrem positive und ein anderes Mal eine extrem negative Erfahrung. Was sicherlich sehr interessant ist, sind die vielen Religionen auf einer extrem kleinen Fläche und die damit verbundenen Eindrücke und Empfindungen, welches subjektiv die positive Erfahrung war. Auf der anderen Seite führt diese Vielfältigkeit notwendigerweise zu Spannungen zwischen den jeweiligen Gruppen und zu Auseinandersetzungen innerhalb der verschiedenen Gruppen, welches die negative Erfahrung war.

 

Die hohen Sicherheitsmaßnahmen von Seiten der Israelis, die religiösen Gruppen, welche sich anscheinend nichts zu sagen haben – es sei denn es handelt sich um ‘heiliges’ Eigentum, das aneinander Vorbeilaufen, die Separation der Stadtteile, nämlich gruppiert, da kommt schon die Frage auf – so viel Religion und nichts verstanden? Oder aber ich habe nichts verstanden. Daher die Pinkelpause.

 

Es ist eine Reise nach Jerusalem, weil ich tatsächlich auf mehreren Reisen versucht habe, diese Stadt zu erfassen – Worum geht es dort eigentlich? Handelt es sich hier um politische Interessen außerhalb der Grenzen, die sich in dieser Stadt entladen oder sind es die Ereignisse in der Stadt selbst. Liegt die Spannung am Politischen, am Religiösen, am Gesellschaftlichen? Geht es nur um Eigentum?

 

Es ist auch die Pinkelpause in der Wüste, da diese Reise auch in die Wüste ging. Gerade einmal 1 Stunde Fahrt aus der Stadt hinaus und die Judäische Wüste erstreckt sich vor einem und bietet dir ein komplettes Kontrastprogramm zu Jerusalem – ruhig, frei, neutral, entspannt. Das dient auch ein bisschen dazu, Jerusalem auf das runter zu holen, was es ist und nicht immer das, was von außen gesagt wird. Vieles wird dort nämlich als ‘Heilig’ deklariert – es ist aber eben z.B. nur eine Mauer, mit geschichtlichem Wert. So werden ‘Bagels’ heilig, die Via Dolorosa, eben alles, von allen.

 

Was willst du durch die Ausstellung transportieren?

 

Die Ausstellung ist ‘Tacheles’ eine Perspektive von Jerusalem, wie es ist. Eine Stadt mit vielen Problemen, eine arme Stadt, eine religiöse Stadt, in der die säkularen Gruppierungen verdrängt werden, eine Stadt in der politisch nicht richtig gehandelt und verhandelt wird, eine gespaltene Stadt, eine gruppierte Stadt. Viele Menschen haben keine Sympathie für die jeweils anderen Gruppen. Obwohl alles eng beieinander liegt, spürt man die Antipathie und bekommt sie natürlich auch mit.

 

Die Religiosität ist ein Faktor, den ich akzeptieren muss, dennoch, glaube ich, die Instrumentalisierung der Religion für politische Interessen zu erkennen. Die Probleme dürfen nicht über eine Religion gelöst werden, sondern müssen separat und sachlicher geführt werden. Letztendlich meine ich, geht es um Gewinn und Geld. Dabei sollte die Religion nicht wie ein Schild vor sich getragen werden. Das hilft nicht weiter. Dadurch wird Fanatismus und Aggressivität geschürt. Und da mach ich nicht mit.

 

Also es ist der permanente Versuch, verzerrte Darstellung zu entzerren und die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind und auch in schwierigen Zeiten die Flucht nicht in der Religion zu finden, da es kein Hilfsmittel zur Lösung der Probleme ist, sondern eher eine emotionale Beruhigung, um die Angst mit sich gegenüber der Welt zu ertragen, für einen Moment. Das will ich damit transportieren.

 

Bei der Vernissage hattest du angekreidet, dass ‘Brot und Spiele’ vorherrschen. Was genau meinst du damit?

 

Brot und Spiele ist ja bekanntlich die Art und Weise ein Volk ruhig zu stellen, damit es ja nicht auf die Idee kommt, politische Ereignisse zu hinterfragen und eventuell noch aktiv zu werden. Sprich, du wirst heute von so viel ‘Medien- und Spektakelmüll’ überhäuft, um nicht in eine Situation zu kommen, in der du eventuell das Außenstehende reflektierst. Die Massenunterhaltung ist stets präsent – Fußball, große Kinoeinrichtungen mit Ansagen, Fanmeilen, Massenfeste mit Saus, Braus und Gesang, pseudopolitische Veranstaltung seitens Politik und Wirtschaft mit Häppchen, und dann das Internet. Das bedeutet, es wird versucht, dich permanent abzulenken mit sogenannten ‘Spaß- und Fressfaktoren’. Man kann aber Dinge nur reflektieren, wenn man Ruhe hat und diesen Rückzugsort ‘Ruhe’ gibt es kaum noch.

 

Aber gerade jetzt ist es wichtig, genauer hinzuschauen, was passiert. Nicht aus einem spontanen Gefühl heraus, aus einer kurzen aufflammenden Emotionalität, sondern aus Interesse an uns selbst. In all den Jahren, in denen ich die israelische Politik beobachtet habe, fragte ich mich immer wieder, warum die Menschen nicht auf die Straße gehen, um gegen die Verhältnisse in dem Land zu demonstrieren. Mit vielen Menschen hatte ich Gespräche, um rauszufinden, woran dies lag. Keiner hatte eine gute Antwort. Und plötzlich kam die Riesendemonstration in Gang, es hatte teilweise etwas von einem Woodstock-Happening und die Menschen gingen auf die Straße. Mit Ihnen ich. Hier demonstrierten ca. 400.000 von ca. 7.7 Mio. Menschen.

Das spricht Bände. Das sind klare Zeichen.

 

Möchtest du mit dieser Ausstellung einen dieser notwendigen Ruheräume schaffen?

 

Menschen, die sich auf den Weg machen, wie z.B. in die Galerie, sind interessiert und somit aktiv. Was dann letztendlich in der Galerie passiert, d.h. welche Gedanken, Gefühle, Fragen oder Bestätigungen den einzelnen erfasst, kann ich nicht wissen. Aber ich denke, ab dem Moment, in dem der Einzelne vor den Bildern steht oder der Installation oder den Fotos, wird erst einmal aufgenommen. Vielleicht empfindet der Eine oder Andere so etwas wie Ruhe. Der Raum an sich ist aber nicht als Ruheraum gedacht, sondern im Gegenteil als ein Ort, in dem er das, was er sieht, in Ruhe auf sich wirken lassen kann. Aber nein, kein Ruheraum.

 

In der Ausstellung verbindest du sehr viele Kunstformen: Installation, Malerei, Fotografie. Hinzu kommt noch die komplette Gestaltung der Räume. Wie wichtig ist dir diese Vielfalt?

 

Generell ist Vielfalt für mich sehr wichtig. Ich möchte wählen können, wie ich was in welcher Form umsetze. Es gibt Ideen, die entstehen als Bild, andere wiederum als Installation, dreidimensional und wieder andere Situationen lassen sich gut in der Fotografie ausdrücken oder in anderen Techniken. Es gibt einfach sehr, sehr viele Techniken und Umsetzungen. Je mehr Variationsmöglichkeiten gegeben sind, desto vielfältiger kannst du arbeiten. Das soll nicht heißen, dass man nicht mit einer Technik viel schaffen kann, kann man natürlich. Aber jeder Zusatz ist noch eine Möglichkeit, seine Visionen umzusetzen, seine Fantasie auszubauen und Vorstellungen greifbar zu machen, verschiedene Materialien miteinzubeziehen oder bewusst wegzulassen, höher. Bei den Schwarz-Weiß-Fotografien wird z.B. ein Moment aufgenommen, den es tatsächlich gegeben hat, dieser Moment wird transportiert und der Betrachter erhält diese Information, den Moment. Aber egal für welche Form du dich entscheidest, denn darum geht es, um die Entscheidung, musst du dich entscheiden.

 

Beim betenden Soldaten, der am Busbahnhof stand, habe ich mich bspw. für die Malerei entschieden, um eine Atmosphäre zu schaffen, die über die Fotografie nicht möglich ist. Auch hier wieder die Entscheidungen, wie und wie viel, welche Form der Emotionalität, Farben, Komposition, Gefühl, … usw.

 

Aber auch weitere Komponenten lassen sich in der Umsetzung miteinbeziehen. Wird es ernst, zynisch, lächerlich, humorvoll. Und es gibt manchmal Situationen, die sind einfach unheimlich witzig, die sind einfach wirklich witzig und diese Form ist auch wunderbar umsetzbar, so dass andere dann auch darüber lächeln können, und das tun sie, wie z.B. der Text aus der Pressemitteilung der UNO von 1950 welcher als Text in die Ausstellung miteinbezogen wurde. Dieser Text bringt die ‘Jerusalemer Situation’ ziemlich auf den Punkt. Das haben viele sofort verstanden.

 

Letztendlich geht jeder Form eines gestalteten Bildes, hunderte von Entscheidungen voraus. So ist das Bild letztendlich eine Akkumulation von Entscheidungen. Und so auch der Raum welcher ein Bild wird, in meinem Fall. Die Petra ist da echt super – Danke Petra! – dass sie den Freigeist hat: ‘Nimm die Galerie und mach aus ihr, was du willst!’ Du hast dadurch unglaublich viel Freiraum, der in der realen Welt immer zunehmend eingeschränkt wird. Die Werbung im öffentlichen Raum wird zugelassen, Lebensqualität für den Menschen dagegen eingeschränkt. Schon ver-rückt.

 

Ist die Fotografie immer Ausgangspunkt für deine Bilder?

 

Es kommt auf die Situation darauf an. Wenn wir jetzt über ‘Ginger I oder die Wüstenfrau’ sprechen, so basiert das Bild auf einem Selbstfoto. Ginger ist in der Wüste am toten Meer entstanden.

 

Meine Arbeiten sind Geschichten, welche sich hinter den Bildern verbergen. Es ist ein Moment verbunden mit einer Story, meistens mit außergewöhnlichen Ereignissen, Beobachtungen, Erfahrungen oder verzerrten Situationen. In dem Fall war es die Wüste mit den Pools, was ich interessant fand. Die meisten Menschen, glaube ich, verbinden mit Wüste etwas Trockenes und Warmes, am Tag, Kaltes in der Nacht, nehme ich an. Wenn man sich jetzt aber in den Wüstenabschnitt am toten Meer begibt, erstrecken sich teilweise Pools. Das ist ungewöhnlich weil diese hier erschaffen wurden. Das fand ich bizarr, da du in diesem Pool liegst und die Wüste anschaust und Sie dich. Generell ging es mir ums Eintauchen in diese Welt. Die Wüste ist ein unheimlich schöner Rückzugsort. Es gibt Orte im Sinai, in denen es keinen Strom gibt, keine Werbung, keinen Fernseher, kein Radio, kein Internet, kein Handy – nur Sonne, Trockenheit, Natur, sternklarer Himmel, Hängematten, und vielleicht 10 Menschen. Daher ‘Ginger I oder die Wüstenfrau’ – die Erschaffung einer Symbiose von Wüste und Pool. Eine Parodie.

 

In deinen Bildern herrschen – gerade bei den gegenständlichen Motiven und den Personen, die du malst – eher harte. geometrische Formen vor. Wie hat sich dieser Stil entwickelt?

 

Mir ist vieles zu weich, langweilig, verwischt, nicht klar genug. Daher sind meine Anfänge auch noch viel extremer in der visuellen Gestaltung bis ich gelernte habe, wie ich mit der Geometrie umzugehen habe. Die Anfangsphasen waren Lernphasen, Experimentierphasen, eben Abenteuer. Ist die Idee so, wie ich es mir vorstelle, umsetzbar oder klappt es gar nicht? Das extrem Klare hat mir durch die geometrische Form gefallen und wurde meine Signatur. Sicherlich auch ein Stück meines Charakters, da ich sonst die Arbeiten nicht so machen würde, wie sie sind. Eben nicht weich, sondern mit Ecken und Kanten. Klare Ansagen und deutlich, dann bin ich interessiert. Es gibt keine Rundungen in den meisten Bildern, es gibt absolut keine Rundungen, es gibt nur Winkel, Ecken und Flächen… … außer in ‘it happened one day!?

 

Ja, das war einfach, um eine Dynamik herzustellen, da auch diese Form eine Parodie ist, nämlich über die Gasmaske. Es stimmt schon, die meisten Bilder sind geometrisch. Doch möchte ich mich nicht festlegen sondern mir immer wieder den Freiraum nehmen, zu experimentieren. So werden manchmal festgefahrene Strukturen aufgelöst oder verändert oder andere Techniken miteinbezogen, wie z.B. die Zeitungscollage.

 

Wir begeben uns in Mannheim auf eine Reise nach Jerusalem – in einer Ausstellung von einer Künstlerin, die zwischen Berlin und Tel Aviv pendelt. Was verbindet dich mit Mannheim?

 

In Mannheim habe ich meine Jugend verbracht, lange gelebt und später studiert und in Tel Aviv bin ich geboren, habe dort später auch gelebt und studiert aber ich fühle mich nicht mit der Stadt Mannheim verbunden, dann doch eher mit Menschen mit denen ich Mannheim erlebt und gelebt habe. Also Freunde.

 

Was war der Antrieb aus Mannheim weg und nach Berlin zu gehen?

 

Mannheim wurde zu klein. Als Künstler kommt man schnell an seine Grenzen, erhält nicht die Plattform, welche man braucht, um arbeiten zu können und ist eher mit der Szene eine Randgruppe und weniger integriert im Leben selbst. Die Künstler in Mannheim haben es nicht leicht, da sie oft nicht verstanden werden. Für andere Gruppen sind in Mannheim dann Künstler interessant, wenn aus Ihnen Profit geschlagen werden kann. Aus ökonomischen Aspekten. Als Event, als Spektakel. Und die kleine, freie Kunstszene, die es noch in Mannheim gibt, muss immer um Ihre Existenz kämpfen wenn sie da nicht mitmachen will.

 

Komplett anders ist es da in Tel Aviv oder Berlin und dabei ist Tel Aviv gar nicht viel größer als Mannheim. Ohne Außenbezirke auch gerade mal knapp 400 000 Einwohner. Dort herrscht eine ganze Musikszene, in Berlin eine enorme Musik- und Kunstszene. Das gehört zum Leben. In Mannheim hat man das Gefühl, das gehört ins Museum. Leider. Kunst wird nicht so gesehen, wie sie ist, nämlich frei. Die Möglichkeiten sind auch geringer, es fehlen Flächen. Folglich ziehen viele junge Leute weg und auch die Kreativen. Fatal für eine Stadtentwicklung. Fatal für eine Gesellschaft wenn junge, gut ausgebildete, andersdenkende Menschen abziehen. Fatal.

 

Was wird die Zukunft bringen? Bleibt es bei Berlin und Tel Aviv?

 

Momentan ist es Berlin. Was die Zukunft ist – ich werde sehen.

 

Martyna Swiatczak für zypogh mit ganz besonderem Dank an Dikla Stern – 13.09.2011

 

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